Weiße Rosskastanie

Aesculus hippocastanum

Die ursprüngliche Heimat der Rosskastanie ist der Balkan, doch ausgerechnet ohne diesen südosteuropäischen Einwanderer wäre Bayern um eine bedeutende Facette seiner Kultur ärmer: Den Biergarten, der ohne ein paar mächtige Kastanienbäume einfach nicht vollständig wirkt. Im Schatten der dichten, hochgewölbten Kronen entsteht eine gemütliche Atmosphäre, die sich natürlich optimal zum Verzehr von Speisen und Getränken eignet. Die Kastanie selbst dagegen liefert keine Nahrung; mit der Edelkastanie, von der die beliebten Maroni stammen, ist sie nicht einmal entfernt verwandt. Ihren Namen hat sie nur von der oberflächlichen Ähnlichkeit der Früchte. Und auch das Ross im Namen könnte zu der Annahme verleiten, der Baum sei von Pferden als Nahrungsquelle geschätzt. Dem ist nicht so, es ist aber überliefert, dass kleinasiatische Bauern aus den Früchten Hustenmedizin für Pferde und andere Nutztiere herstellten. Auch dem Menschen kann die Kastanie als Arzneipflanze dienen – unter anderem gegen Krampfadern, Hämorrhoiden, Entzündungen der Haut, sogar gegen Magengeschwüre sollen verschiedene Inhaltsstoffe der Blüten, Samen, Blätter und Rinde dienen. In Deutschland wurde die Rosskastanie deshalb schon zur Arzneipflanze des Jahres 2008 gewählt.
Am leichtesten erkennen lässt sich der Baum selbstverständlich im Herbst, wenn seine Krone dicht mit den bekannten Früchten behangen ist: Stachelige, hellgrüne Kapseln, die mehrere glänzendbraune Samen enthalten. Sie dienen einer sehr seltenen Ausbreitungsmethode, der sogenannten Schwerkraftwanderung: Wenn die reifen Früchte vom Baum fallen, platzen sie durch die Wucht des Aufpralls auf; die Samen rollen dadurch nur einige Meter weit. In der Natur bilden Kastanien meist lockere Wälder. Die schnellwüchsigen Bäume haben ein großes Lichtbedürfnis und bevorzugen nährstoffreiche, leicht saure Böden. Obwohl sie aus wärmeren Gegenden stammt, gedeiht die Kastanie auch in kühlen Mitteleuropa, gegen Spätfroste reagiert sie aber sehr empfindlich. Es kann zum Verkümmern und Absterben der Knospen kommen, die im gesunden Zustand dick, rötlichbraun und von klebriger Flüssigkeit bedeckt sind.
Wenn die Kastanie den Winter problemlos überstanden hat, treibt sie im Frühjahr prächtig aus: Zuerst die bis zu 25 cm großen, aber recht zart gebauten gefingerten Blätter, kurze Zeit danach die unverwechselbaren Blüten. Streng genommen handelt es sich bei jeder der großen, pyramidenförmigen Kerzen um eine Ansammlung hunderter Einzelblüten. Diese stehen in Blütenständen zusammen, die eine aufrechte Rispe bildend am Fruchtholz wachsen. Wie der Name der Baumart vermuten lässt, sind die Blütenblätter zunächst weiß gefärbt und locken damit zahlreiche Insekten an, unter anderem Honigbienen. Der als Delikatesse geschätzte Kastanienhonig hat damit allerdings nichts zu tun, er wird wiederum aus der Edelkastanie gewonnen.
Wie bereits erwähnt, wächst die Rosskastanie zügig, wobei fast immer ein rechtsseitiger Drehwuchs vorliegt. Das Holz ist sehr weich und gilt daher gemeinhin als minderwertig, es eignet sich aber hervorragend für Schnitzarbeiten. Durch seine gleichmäßige Färbung ist es auch zur Herstellung von Furnierplatten und Möbelstücken beliebt.